Neue Produkte und Dienstleistungen werden von den Unternehmen seit langem als eine Einladung zur Abkehr von lähmendem Preisdruck und hauchdünnen Produktmargen betrachtet. [1] Das hohe Innovationstempo hat jedoch dazu geführt, dass das Zeitfenster für die Nutzung höherer Margen immer schmaler wird. Eine Gartner-Studie zeigt, dass die Produktproliferation seit 2010 zu einem Anstieg der aktiven Artikel um 32% geführt hat. Das Umsatzwachstum von nur 3-4% im gleichen Zeitraum hat jedoch dazu geführt, dass der Umsatz pro Artikel um 22% gesunken ist. Die Situation verschlechtert sich weiter, wenn man die Planungsperspektive betrachtet, denn Untersuchungen zeigen, dass die Prognosegenauigkeit für neue Produkte ein Jahr nach der Einführung nur etwa 50% beträgt [2].
Was also macht die Verwaltung neuer Produkte zu einem so schwierigen Problem? Ein neues Produkt kann ein bestehendes Produkt sein, für das sich die Marktpräsenz ausweitet, oder eine bahnbrechende Innovation, für die die ganze Welt ein potenzieller Markt ist und alle Möglichkeiten dazwischen (visuell dargestellt in Abbildung 1). Wenn man sich von der linken Seite des Spektrums nach rechts bewegt, was aufgrund neuer Innovationen immer häufiger geschieht, wird eine erfolgreiche Markteinführung immer schwieriger.
Aus planerischer Sicht sinkt mit zunehmender Entfernung vom Status quo die Relevanz der aktuellen Bezugspunkte und damit auch der historischen Daten erheblich. Da die Daten immer spärlicher werden, muss der Schwerpunkt über den bloßen Einsatz quantitativer Techniken hinausgehen. Die Tabelle in Abbildung 2 verdeutlicht die Arten von Verschiebungen, die über die Dimensionen Datenquelle, Technik, Unsicherheits- oder Vorhersageintervalle, Szenarioplanung und Leistungsmessung hinweg erforderlich sind.
Beim Produktlebenszyklusmanagement (Product Life Cycle Management) und der Vorhersage neuer Produkte geht es, wie die vorangegangene Diskussion gezeigt hat, viel darum, in unbekannte Gewässer vorzudringen, wo "die Daten nicht laut und deutlich sprechen" [4]. Daher verlässt man sich auf qualitative Methoden, bei denen es nicht so sehr um Zahlenverarbeitung geht, und wenn es sich um quantitative Methoden handelt, geht es mehr um die Berücksichtigung externer Faktoren, die die Nachfrage antreiben, als um historische Zeitreihen. Qualitative Methoden erfordern im Allgemeinen erhebliche Investitionen in Zeit und Mühe, insbesondere im Hinblick auf die Datenerhebung. Die gesammelten Daten und analysierten relevanten Faktoren können dazu beitragen, die Unsicherheit zu verringern und Prognosen trotz der inhärenten Schwierigkeit des vorliegenden Problems glaubwürdiger zu machen.
Moderne Supply-Chain-Management-Lösungen unterstützen nicht nur die klassischen Verfahren zum Product Life Cycle-Management basierend auf Historiendaten und statistischer Prognose, sondern ermöglichen für neue Produkte darüber hinaus auch die Modellierung und den Vergleich verschiedener Einführungsszenarien, denen jeweils ganz unterschiedliche Annahmen und Voraussetzungen zu Grunde liegen können, und simulieren für jedes dieser Szenarien die Auswirkungen für die gesamte Supply Chain (siehe IBP for Demand und IBP for Sales & Operations).
[1] Ideen übernommen aus: Kepczynski, R., Jandhyala, R., Sankaran, G. and Dimofte, A. (2018), Integrated business planning: How to integrate planning processes, organizational structures and capabilities, and leverage SAP IBP technology, Management for Professionals, Springer, Cham.
[2] Kahn, K., 2002. An exploratory Investigation of new product forecasting practices. Journal of Product Innovation Management, 19(2), pp.133-143.
[3] Kahn, K., 2014. Solving the problems of new product forecasting. Business Horizons, 57(5), pp.607-615.
[4] Tetlock, P. and Gardner, D., 2016. Superforecasting. London: Random House.